Das große Speisekarten-Orakel von El Patio

 

Ich ging also in dieses spanische Restaurant, das kein spanisches Restaurant sein wollte, und doch eines war. Kaum hatte ich mich gesetzt, begann ein Mann mit einer Gitarre zu spielen – nicht Flamenco, nein, Countrylandkaffeestyle, als wolle er die Welt verwechseln, und genau das gefiel mir. Ich bestellte Pernod mit Wasser, und als er sich milchig trübte, trat das Orakel an meinen Tisch, unscheinbar wie ein Kellner mit Schicksalsneigung. „Das ist Ihr Leben“, sagte es, „klar wird es erst, wenn es sich trübt.“ Ich nickte. Im Nebel lag die Wahrheit.

Ich wählte Aioli, weiß und grün, und das Orakel sprach: „Zwei Seiten. Rein und farbig. Du willst beides.“ Ich aß Brot und wusste, es hatte recht. Dann Hähnchen kanarischer Art – das Orakel roch daran und sagte: „Heimat und Fernweh. Du bleibst, um zu gehen.“ Und ich lachte, weil ich mich ertappt fühlte.

Es folgten Artischocken in Sherrysoße, süß und stachelig, wie Freundschaften, die einen reizen, bis sie wärmen. „Stacheln und Süße“, sagte das Orakel. Ich nickte, trank Wasser, das nach Meer schmeckte, und sah, wie der Gitarrist einen Bluegrass-Lauf spielte, als wäre er ein Pirat auf der Prärie.

Beim Lachs vom Grill erklärte das Orakel: „Beziehungen. Flussaufwärts. Gegen den Strom – aber ans Ziel.“ Ich schnitt den Lachs, und der Satz blieb in mir hängen. Dann Crema Catalana: Ich brach die Zuckerkruste, und das Orakel flüsterte: „Unter der harten Schale liegt die süße Wahrheit.“ Ich aß langsam, um sie zu finden.

Zum Abschluss Kräuterschnaps. „Kräuterwissen heilt, was die Moderne kaputtgemacht hat“, sagte das Orakel, und ich glaubte ihm sofort. Schließlich bestellte ich – halb im Scherz – die Parillada de Pescado für zwei. „Die Vielfalt ist ein Versprechen“, sagte das Orakel. „Du darfst wählen, nicht müssen.“ Ich sah den Teller wie ein kleines Meer, und ich war plötzlich leicht.

Ich zahlte. Das Orakel verschwand, wie Orakel verschwinden. Der Gitarrist stimmte ein letztes Lied an, Country, weich und falsch und wunderschön. Ich sah ihn an, er sah zurück. Ich fand ihn sexy – weil er das Falsche am richtigen Ort tat. Dann ging ich hinaus in die Nacht, die nicht dunkel war, nur groß. Und das genügte.

Danke für das großartige Intro (und Outro), Willi Papperitz (www.whysker.de)

 

Gratis, aber nicht umsonst

Oh Esel, trabeseba
Oh Teddy, trabeseba
Keiner kennt Chaos so wie wir zwei
Keiner schätzt gratis so wie wir zwei

Oh Esel, manchmal ists schwer
Oh Teddy, ich mag Dich doch sehr
Keiner kennt Chaos so wie wir zwei
Keiner schätzt gratis so wie wir zwei

Strophe 1
Ging die Treppe runter ins Studio
Das Mikro sprang an, die Laune war gut (so)
Ging die Treppe herunter ins Studio
Die Musik war frei und wir auch, wir blödelten so

Refrain
Oh Esel, trabeseba
Oh Teddy, trabeseba
Keiner kennt Chaos so wie wir zwei
Keiner schätzt gratis so wie wir zwei

Strophe 2
Hörer:innen lachen irgendwo im Land
Wir stolpern durch Lieder ohne Stimme doch mit Herz
Manchmal vergeigt, doch oft voller Glanz
Zwei alte Kumpels im Podcast-Tanz

Refrain (Finale)
Oh Esel, manchmal ists schwer
Oh Teddy, ich mag Dich doch sehr
Keiner kennt Chaos so wie wir zwei
Keiner schätzt gratis so wie wir zwei

Musik: »early lit«, »mid day loss«, »later time«, »let night« und »every day good day« von mobygratis.com

Weich in der Mitte

Zwei Kerle schlendern durch die Stadt,
ihre Bäuche wackeln mit jedem Schritt.
„Warum bin ich weich in der Mitte, Mann?
Dabei ist mein Ego hart wie Granit!“

Bist du außen hart wie Stein,
Kannst du innen Pudding sein!
Ich nenn‘ dich Brezel-Bert,
Und du nennst mich Eier-Ernie!“

Paul Simon – You Can Call Me Al (Official Video)

Völlig schwerelos (Los! Los! Los! Los!)

Auf dem Gipfelrand stehen sie da,
zwei Kletterer, stark und frei,
die Seile hängen fest, der Weg ist steil,
der Wind pfeift laut durch jedes Band,
doch sie klettern hoch.

Die Welt ist weit weit weg, so fern und klein,
sie klettern weiter hoch, sie fühlen sich rein,
zu zweit vereint im freien Himmel.
Esel atmet schwer, er kann nicht mehr,
doch Teddy macht einen Schwerz.

Dann stürzt er ab und

Völlig losgelöst, von der Erde,
steigen sie ins Licht,
total schwerelos.
Völlig losgelöst, von der Erde,
Bergsteiger im Licht,
völlig schwerelos.

Podcasta Lunatica

Niemand wird mir diese Geschichte glauben, weil sie tatsächlich unglaublich ist. Ein Unglück, ein Wunder auch, ein ganz besonderes außerdem, kein gewöhnliches Wunder wie ein schlimmer Unfall, den man unverletzt überlebt oder eine Prüfung, die man unvorbereitet übersteht. Eine Geschichte, wie man sie höchstens einmal im Leben erleben darf. Ich schätze, höchstens ein Drittel aller Menschen haben das Glück, eine solche Geschichte zu erleben, vielleicht sogar weniger. Am Ende weiß ich es gar nicht. Ich will sie trotzdem erzählen.

Aber wo fange ich an? Bei dem Haus in der Stadtmitte und dem glücklichen Zufall, der mich dorthin führte? Der zunächst wie ein ganz unglücklicher Zufall aussah? Bei dem Auftrag, den ich dort zu erfüllen hatte? Oder bei Herrn Unterheimer, ohne dessen übergriffige Eimischung ich wohl niemals den Mut zusammenbekommen hätte, mich selbstständig zu machen? Eigentlich müsste ich noch viel früher ansetzen, bei dem Job, dem ich vorher nachging und meinen Kolleginnen Trischa und Eva, die mich überhaupt erst auf die Idee gebracht hatten, meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Den ich ja wiederum nicht ohne meinen besten Freund Bernie bekommen hätte, den ich seit Kindergartentagen kenne und der sich so oft vor mich geworfen hat, wie ein Bodyguard in die Kugel, um mich zu retten vor meinem Schicksal?

Eigentlich wollte ich doch eine Kurzgeschichte schreiben und nicht so weit ausholen. Aber irgendwie hängt es ja doch alles zusammen, dieses verrückte Gerüst von einer Geschichte, die vor so langer Zeit schon begann und so wahnsinnig gewachsen ist. Jetzt wird mir das Ganze dann aber doch schon wieder zu anstrengend. Ein anderes Mal. Vielleicht.

Tausend Dank und Grüße an Simon für die Idee! Hier gibt es alle Infos zum Film Casa Lunatica.

Und hier könnt Ihr ihn Euch bei Vimeo anschauen.