Stinken Pfingsten die Eier, bleibt der Heilige Geist lieber zuhause

Ein leicht fauliger Geruch lag in der Luft. Man hätte das bereits als schlechtes Omen deuten können, vielleicht sogar müssen, aber damals schien sich niemand daran zu stören. Nichts deutete ansonsten die fürchterlichen Ereignisse dieses Tages voraus. Die Stimmung war großartig und ausgelassen. Alle warteten gespannt auf das Hochzeitspaar, das jeden Moment eintreffen sollte, um das Büffet zu eröffnen. Menschen plapperten durcheinander, von Zeit zu Zeit klapperte Geschirr und in irgendeinem der Nebenräume wurden Kastagnetten aneinandergeschlagen. Vermutlich übten die spanischen Tänzer für ihren Auftritt, denn man hatte die andalusische Gruppe „Es elspiritu y tedi santo“ auf besonderen Wunsch des Bräutigams engagiert. Hierzulande war das Duo damals noch kaum bekannt. Dann rumste es plötzlich dumpf.
Die Ursache war schnell gefunden. Walters Frau hatte Apfelmus in so großen Mengen gegessen, dass sie zunächst durch den Raum getaumelt und schließlich über eine Murmel gestolpert war und dabei unschön mit dem Fuß umknickte. Glücklicherweise reagierte Walters Halbbruder Everett beherzt, stürmte zu ihr und bat die Bediensteten um ein Glas Selters. Nachdem er den Fuß kurz untersucht hatte, rief er einen Krankenwagen. Zwei Rettungssanitäter trafen kurz darauf ein, banden den Fuß in Mull und ermunterten die arme Frau, den Schmerz mit etwas Arnikasaft zu lindern.
Die Aufregung unter den Gästen legte sich allmählich. Dann marschierte endlich das Paar in den Raum und wurde bejubelt. Das Büffet war eröffnet. Die träge Masse der Hochzeitsgäste bewegte sich nun langsam auf die Speisen zu. Dabei wurde der pensionierte Studienrat Dachs unangenehm aus seinem Nickerchen gerissen, grummelte kurz verärgert vor sich hin, sah dann aber den frittierten Lachs mit Koriander und strahlte schließlich so selig über sein rötliches Gesicht, als hätte er seine besten Zeiten noch vor sich.
Bis dahin schien alles in bester Ordnung zu sein. Nelson, ein Freund des Bräutigams, war dann der erste, der Gunter und Thomas den Raum betreten sah. Aber er sagte nichts und er warnte vor allem den Bräutigam nicht. Die beiden waren früher einmal beide ebenfalls Freunde des Hochzeitspaares gewesen, vor allem der Braut, um genau zu sein. In ihrer Eifersucht hatten sie sich offensichtlich zusammengefunden und trugen jetzt dunkle, fast hautenge Lederkostüme. In ihren Händen hielten sie je eine Axt. Noch bevor jemand sie aufhalten konnten, rannten sie auf das Brautpaar zu und versuchten, sich mit ihren Äxten auf den immer noch im Schock erstarrten Bräutigam zu werfen.
Nur Nico konnte verhindern, dass die beiden ihren Plan auch ausführten. Er warf sich ihnen geschickt in den Lauf, sie fielen. Thomas fiel sogar so ungünstig, dass er Gunter dabei ein Bein abhackte. Der schrie vor Schmerz und das Blut schoss aus seinem Schenkel. Thomas richtete sich auf, sah auf sein Werk und kommentierte das Geschehene mitleidlos: „Unter den Einbeinigen ist der Sehende nicht im Vorteil.“ Die Menge brüllte. „Tod durch Steinigen!“ forderten einige, andere wiederum hielten ein sofortiges Reinigen des Bodens für unabdinglich.
Dr. Raute, der oft zerstreute Mathematiklehrer des hiesigen Gymnasiums, hatte von allem noch nichts mitbekommen. Er stand wie ein Fels in der kreischenden und umherlaufenden Menge, nippte an seinem Matetee und ging weiter in Richtung des Büffets. Besonders der kalte Nudelsalat in brauner Soße erschien im interessant. Doch gerade als er mit einem Teller bewaffnet auf die Schüssel zuging, fiel Walters Frau erneut. Gerade von den Sanitätern versorgt und verbunden hatte sie sich aufgerichtet, um dann einige Sekunden später zusehen zu müssen, wie Thomas Gunter ein Bein abschlug. Das war zu viel für sie. Völlig aufgelöst hatte sie ihre Schmerzen vergessen und sprang ziellos im Raum umher, bis sie erneut umknickte und fiel. Zum Ärger des Dr. Raute genau in den Nudelsalat, an dem er sich gerade bedienen wollte. Ein „alte Zicke!“ entfuhr ihm, fast wie ein Reflex. Walters Frau war empört und warf ihrerseits unflätige Beschimpfungen in Dr. Rautes Richtung. Nun schritt endlich Walter selbst ein. Er nahm eine Handvoll des Nudelsalats und schleuderte ihn auf Dr. Raute. Zumindest war das seine Absicht, in Wirklichkeit traf er allerdings die Braut. Diese wiederum warf ihre spitzhackigen Schuhe nicht wie gewollt auf Walter, sondern erwischte den Brautvater so unglücklich am Auge, dass er halbblind und voller Zorn um sich schlug, ohne Rücksicht darauf, wen er gerade traf.
Der Abend endete schließlich in einer großen Prügelei, bei der es noch mehrere Verletze gab. Die beiden Spanier des Duos „Es elspiritu y tedi santo“ traten nicht mehr auf. Aber sie hatten das Geschehen aufmerksam verfolgt und verarbeiten die Erlebnisse später in einem Gedicht, das ihnen kurz darauf den internationalen Durchbruch ermöglichte. Es ist eine wie im Dialog wechselseitig vorgetragene Poesie und trägt den Namen „Stinken Pfingsten die Eier, bleibt der Heilige Geist lieber zuhause“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert