Outtakes 2018 (Teil 3)

Es hat ja schon auch einen Grund, warum man Teile rausnimmt aus einem Ganzen. Man schneidet faule Stücke aus dem Apfel, damit man den Rest noch essen kann zum Beispiel. Oder der Lehrer nimmt den Klassenclown aus dem Plenum und setzt ihn einsam nach vorne, weil er die schlechten Witze nicht mehr ertragen kann. Oder der Maurer nimmt ein Stück Wand heraus, um einen Durchgang zu bauen.
Es gibt wiederum keinen Grund, diese herausgenommenen Teile wahllos wieder zusammenzusetzen.

Outtakes 2018 (Teil 2)

Wenn Michelangelo einen Stein ansah, sah er keinen Stein, sondern eine Figur, eine Skulptur. Er hatte immer schon das fertige Kunstwerk vor Augen, einen David, einen Moses, Brutus oder Christus. Er wusste schon vorher genau, welche Stücke er aus dem Marmor herausmeißeln würde, weil sie nicht Teil des Kunstwerkes waren, das er erschaffen wollte. Und als die Skulptur schließlich aus dem Stein herausgeschält war, hat er die Reste natürlich weggeschmissen, weil sie ja von Anfang an nie dazugehört haben. Ab in die Marmortonne damit. Oder wo immer man damals in der Renaissance seine Steinreste so entsorgt hat.

Michelangelo nicht und auch niemand sonst wäre damals auf die Idee gekommen, diese Reste aufzubewahren. Und hätte es trotzdem jemand getan und diese Reste für die Nachwelt aufbewahrt, und würde heute jemand auf die Idee kommen, sie auszustellen, und selbst wenn die Ausstellungen keinen Eintritt kosten würden. Kein Mensch würde sie sich anschauen.

Outtakes 2018 (Teil 1)

Mir kam da neulich beim Frisör so ein Gedanke. Ich gehe so alle sechs Wochen dahin. Weil die Haare doch wieder ein bisschen außer Form gewachsen sind. Vor allem hinten, wo noch viele sind. Aber auch vorne, weil da das Resthaar da so unschön hahnenkammartig rauswächst. Ich saß so da und habe mir die Haare waschen lassen, die Augen zugemacht und nachgedacht. Über die Welt und mich und alles. Auf dem Stuhl habe ich dann sowas gesagt wie „Hinten 12 Millimeter, vorne auch kurz, aber nicht so super kurz.“ Wie immer halt. Schnibbeldischnapp waren die Haare ab und sind auf dem Umhang gelandet. Da habe ich dann wieder nachgedacht, als ich die Haare da so liegen sah. Schade eigentlich, dachte ich, dass die jetzt alle ab sind, die waren ja mal ein Teil von mir. Leben Haare eigentlich und sind sie jetzt tot? Muss das eigentlich sein? Dass man die am Ende so kalt zusammenfegt und einfach in den Müll schmeißt. Muss doch nicht sein. Die gehören doch auch dazu. Zu mir. Sind nicht alle schön, viele auch schon grau, aber trotzdem, ich werde sie vermissen. Da kam mir dann die Idee.
„Können Sie mir die Haare einpacken?“ – „Echt jetzt?“ Die Friseurin hat mich vielleicht angeguckt. „Ja, bitte!“ Warum denn auch nicht, geht ja im Restaurant auch. Da mache ich mir jetzt eine schöne Perücke draus. Geniale Idee.