Our Bass Player Loves This Spice

Als Teddy aufwacht, riecht die Welt nach Zimt und Abenteuer. Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel von Esel:

„Bin kurz weg. Muss was probieren. Folge der Spur der Gewürze. Esel“

Teddy seufzt, nimmt seinen kleinen Rucksack und macht sich auf den Weg.

Seine Reise beginnt in Genf. Am Seeufer sitzt ein alter Mann mit einem Stand voller seltsamer Pülverchen.
„Hast du einen Esel gesehen?“, fragt Teddy.
Der Mann schüttelt den Kopf. „Er war hier. Hat nach Mahleb gefragt und ist weiter nach Gerardsbergen.“
Teddy kauft eine Prise Mahleb, die nach Marzipan und Kirschen duftet, und rennt zum Zug.

In Gerardsbergen riecht es nach Regen und Pommes. Auf den Treppen einer alten Kirche findet er eine Kritzelei an der Wand: „Zu wenig Bass. Zu wenig Schärfe. Weiter nach Urfa!“ Daneben klebt ein kleiner Papierteebeutel, darin: Urfa-Biber, dunkle, fermentierte Chili.
Teddy niest. „Esel, du Nase.“

Der nächste Flug bringt ihn in die Türkei. In einem Markt in der Nähe von Şanlıurfa streicht eine Händlerin ihm über den Kopf. „Ein Esel war hier. Er hat nach einem Gewürz gefragt, das klingt wie ein Planet. Kalonji. Dann ist er weiter nach Geo Chang in Südkorea.“
Teddy schnauft. „Der reist ja wie eine Boyband auf Tour.“

In Geo Chang stapft Teddy durch Nebel und Neonlicht. An einer Straßenküche serviert ihm jemand Suppe. Oben drauf schwimmt etwas, das nach geröstetem Pfeffer und Erde riecht.
„Ajowan“, erklärt der Koch. „Esel wollte nur probieren. Er meinte, sein Freund Teddy würde das mögen. Dann sprach er von Gitega, Hauptstadt von Burundi.“

Also fliegt Teddy nach Afrika. In Gitega ist die Luft warm und staubig. Auf einem kleinen Markt findet er einen Stand mit gläsernen Schraubgläsern. Ein Junge zeigt ihm eines mit winzigen Samen.
„Raduni. Wie Selleriesamen. Der Esel hat gesagt, du wirst dir den Namen nie merken.“
„Wird er schon sehen“, murmelt Teddy und steckt das Glas ein.

Die Spur führt weiter nach Geita in Tansania, dann nach Geumsan in Korea, wo alles nach Ginseng riecht. Überall dieselbe Geschichte: „Ja, Esel war hier. Hat gefragt, ob schon ein Teddy vorbeigekommen ist. Er hat’s eilig.“
Teddy nicht. Er ist müde, aber jedes neue Gewürz lässt ihn weiterlaufen: Anardana aus Granatapfelkernen in Indien, Zedoar und Galgant, die scharf nach Ingwer und Wald schmecken. In Georgien stolpert er über Ajika, eine feurige Mischung, in Spanien über rotes Pimentón, in Tunesien über Tabil, in Japan über zitronig-prickelnden Sancho.
Ganz am Ende sitzt Teddy in einem kleinen Zimmer in Geleen in Holland. Vor ihm auf dem Tisch: ein chaotischer Kreis aus Tütchen und Gläsern – Mahleb, Urfa-Biber, Kalonji, Ajowan, Raduni, Anardana, Zedoar, Galgant, Ajika, Pimentón, Amchur, Sancho, Tabil, ein Schälchen Zaatar. Die ganze Reise als Duft-Weltkarte.

Die Tür geht auf. Esel steckt den Kopf hinein.
„Na, du riechst ja wie ein ganzes Kochbuch.“
Teddy sieht ihn an, erst wütend, dann lachend. „Du warst immer nur ein Gewürz weiter?“
Esel setzt sich, nimmt eine Prise Zaatar und streut sie auf ein Stück Brot. „Ich wollte, dass du mich suchst.“
„Warum?“
„Weil man Freundschaft manchmal erst richtig schmeckt, wenn man einmal um die Welt gelaufen ist.“

Teddy überlegt kurz, beißt in das Brot und nickt.
„Beim nächsten Mal“, sagt er, „suchst du mich.“
„Abgemacht“, grinst Esel.

Oh-de-uh-eff-err-öh-ha-el-ih-zeh-ha-eh

Der Dezember in Tallinn fühlt sich an, als hätte jemand die Stadt in dünne, kalte Scheiben geschnitten. Wir laufen durch die Altstadt, Schultern hochgezogen, Schritte vorsichtig auf dem glatten Kopfsteinpflaster, zwischen so dicht stehenden Häusern.

Auf dem Rathausplatz sehen wir den ersten Buchstaben. Ein schwarzes N steckt schief im Schnee. Direkt daneben, halb unter einer Bank: noch ein S. Wir heben beide auf, sagen nichts. Die Luft ist zu kalt zum Reden.

Vor dem Restaurant „Olde Hansa“ glitzern drei neue Zeichen im diffusen Licht der Laternen: ein breites W, ein sauberes E und ein I, das Angst hat, umzufallen. Jemand hat sie auf die hölzerne Stufe gelegt, ordentlich nebeneinander, als wären wir zu spät zu einem sehr merkwürdigen Treffen gekommen.

Im Katharinengang.  Die Mauern verengen sich, die Schatten hängen schwer. An der Steinwand lehnen vier Buchstaben, in einer Reihe, zu perfekt, um Zufall zu sein: H, A, C, noch ein H. Zwei identische H, wie Klammern, die etwas Unsichtbares zusammenhalten. Wir spüren beide, dass wir dasselbe denken: Jemand erwartet, dass wir das sehen.

Auf dem Weg zur Patkulschen Aussichtsplattform, wo die Stadt unter uns liegt wie eine tiefgefrorene Modellandschaft, treten wir beinahe auf die Buchstaben: T, L, D, Ö. Sie liegen im Schnee, als hätte jemand sie im Gehen fallen lassen, aber sie sind unberührt, keine Fußspur, kein Schleifrand, nur weiße Kälte und diese vier Zeichen.

In der schmalen Gasse neben dem Restaurant Hell Hunt, wo der Rauch aus der Türöffnung quillt und nach Bier und Fett riecht, stoßen wir auf drei weitere Buchstaben: ein schweres B, ein zweites S und ein zweites I. Sie kleben fast am Boden, als wollten sie nicht mehr mitgenommen werden. Wir tun es trotzdem.

Am Rand der Altstadt, in de Nähe der Laborbar, wo sie Cocktails in Reagenzgläsern servieren, reißt uns ein plötzlicher Windstoß aus dem Trott. Zwei dunkle Formen rollen über das Eis direkt vor unsere Füße: ein weiteres N und gleich dahinter noch ein N. Das dritte. Und das vierte. Dicht beieinander, als wollten sie sich nicht trennen.

Wir stehen mitten im Zugwind, halten eine Handvoll Buchstaben, die sich kalt und irgendwie falsch anfühlen, und wissen plötzlich sehr genau: Wir sind in dieser Stadt nicht einfach spazieren. Wir werden gelenkt. Buchstabe für Buchstabe.

Aber egal, wir packen die Dinger in den Rucksack und gehen erstmal zu Peters Weihnachtsfeier.

Hängegeranien, weil ich dich so liebe

Auf dem Heimweg, als die Stadt bereits in jenes feuchte Dämmerlicht sank, das dem Spätherbst eine gewisse Würde verleiht, fand er – nicht aus Zerstreutheit, sondern gleichsam als leiser Auftrag an sein fühlendes Vernunftwesen – Blumen auf dem Pflaster, einzeln, wie sorgsam hingelegt. Eine gelbe Rose zuerst: die nüchterne Freundschaft, dachte er, nicht ohne das säuerliche Aroma des Verdachts, den die Farbe im Herzen alter Geschichten führt. Dann eine Orchidee, schmal, von beinahe intellektueller Kälte; er fühlte sich gemustert und doch milde gelobt. Eine Iris lag weiter vorn, und mit ihr, wie aus dem Nichts, jenes nervöse Aufflackern des Schöpfergeistes, das ihn manchmal auf dem Heimweg überfiel. Schließlich eine Calla – reine Form, höfliche Faszination – und, wie ein Schatten am Rand der Empfindung, ein Stück Mohn, das in seiner weichen Schwärze etwas von Selbstverlorenheit versprach.

So geführt, ließ er die belebte Straße hinter sich. Ein Haselzweig lag quer über dem Pfad: Sehnsucht, ja; die Luft roch nach nassem Holz und nach dem Zufall, der gar keiner war. Er ging weiter, und als die Stadt ganz verstummt war, stand die Hütte – nicht romantisch, vielmehr zweckmäßig, doch in einer Würde, die das Nötige mit dem Schicksal verwechselte.

Dort wartete ein Mann, der im Halbdunkel die Ruhe einesjenigen trug, der seine Geschichten nicht eilig hat. Er bat den Ankömmling hinein, wärmte die Hände am gusseisernen Ofen und sagte ohne Prunk: Die Lotophagen. Und er erzählte – nicht schwärmerisch, sondern mit jener trockenen Humanität, die Unerhörtes erträglich macht – von Odysseus’ Männern, die den süßen Lotus kosteten, Vergessen fanden und das Heim vergaßen, ja, den Willen selbst, und wie schwer es sei, den Menschen aus der betäubenden Gnade der Gegenwart in die strenge Arbeit der Rückkehr zu heben. Der Zuhörer nickte, und während die Worte sich setzten wie Schnee, schob sich in sein Inneres die heitere Strenge einer Kornblume: Hoffnung, schlicht und blau.

Der Mann am Ofen lächelte, griff nach einer verkratzten Mandoline und sang, ohne falsche Scham, nur die Überschrift seines Liedes, die schon alles sagte: „Blau blüht der Enzian“. Die vier Silben standen im Raum wie ein blauer Hut auf grauem Mantel; und als er „blau blüht der Enzian“ wiederholte, sah der andere tatsächlich eine alpine Klarheit vor sich, Enzian als Bewunderung, vielleicht auch als Dank, und spürte in sich eine Bewegung, die weder Eitelkeit (Hortensie) noch Verschwiegenheit (Veilchen) war, sondern das still geneigte Wissen, dass ein Mensch, der die Sprache der Blumen beherrscht, auf eigene Weise schön ist.

Sie redeten nicht mehr viel. Das Feuer nahm die letzten Töne in sich auf; draußen stand der Wald. Als es Zeit wurde – und sie wussten beide, dass Zeit immer auch Urteil bedeutet – trat der Erzähler näher, hielt ihm eine kleine, unauffällige Edelweiß-Blüte hin. „Für die Treue“, sagte er, „für die Liebe.“ Dann, mit einem feinen, beinahe gelehrten Lächeln, drehte er die Blüte langsam kopfüber. „Und – du kennst die Regel – wenn eine Blume hängt, sagt sie das Gegenteil.“

So war es eine Blume und doch zwei Worte: Liebe, und, im sanften Senken, Abschied. Der Heimkehrer nahm sie, als nähme er eine Aufgabe an, und ging in den Wald hinaus, leicht beschwert, mild geklärt, während hinter ihm das kleine Haus die Wärme der Erinnerung sammelte wie eine Jasminhecke ihren Duft.

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Bleistifte weg!

Warum hat der Esel heute keine Lust auf Shownotes?

Weil er immer nur iaaah-nfangt, aber nie endet! Er ist schließlich nicht Rainer Mar-iaaah Rilke und außerdem will er seinen Urlaub an der Adr-iaaah genießen und hat keine Zeit.

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Wir müssen das System übersteuern

Der Motor des Käfers röchelt. Jahrgang 1976, hellblau, Fellsitze. Das Getriebe klingt nach Wutanfall.
Esel ist ganz in seinem Element. Sonnenbrille auf, linkes Ohr flattert im Fahrtwind, der Huf liegt locker auf dem Gaspedal.

Neben ihm, auf dem Beifahrersitz: Teddy – die Stimme irgendwo zwischen Amtsarzt und Animateur auf Malle.
„Frage eins, Herr Esel: Was bedeutet es, wenn ein roter Pfeil auf einem Schild nach links zeigt, während ein schwarzer Pfeil zurückzeigt?“

Esel schnaubt. „Dass man besser rechts überholt, wenn der Gegenverkehr im Dunkeln umdreht.“

„Falsch!“, ruft Teddy – und der Käfer zuckt beleidigt.
„Das heißt: DU musst warten, wenn DU rot bist.“

„Ich bin nie rot!“, meckert Esel, während er in eine Kurve prescht. Rustikale Landschaft, lauter Apfelbäume.
Ein Apfel fällt vom Baum – auf einen Fasan. Der fliegt schockstarr vom Acker.

„Frage zwei!“, brüllt Teddy gegen das Geratter an.
„Wie lang muss man an einem Stoppschild halten?“

„Solange, bis du mit Lesen fertig bist!“, grinst Esel – und bremst. Ruckartig.
Der Käfer quietscht. Teddy fliegt fast durch die Windschutzscheibe.

„Alle Räder stehen still, weil das Stoppschild es so will“, murmelt Teddy verschnupft.

„Das gilt nicht für Hufe“, kontert Esel – und lässt den Motor aufheulen wie ein billiger Fön kurz vor der Explosion.

Und so geht es weiter, Frage um Frage – über Tunnel, Reifendruck und Schrittgeschwindigkeit.

Am Ende des Tages, als der Käfer mit letzter Kraft in eine Parklücke rollt, wo eigentlich gar keine ist, schaut Teddy seinen langjährigen Fahr-Aspiranten an und sagt:
„Du bist durchgefallen. Aber nur haarscharf. Und mit Stil.“

Esel schließt die Augen, lehnt sich zurück und murmelt:
„Ich fahr weiter, es gibt ja auch schlechtere.“

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